Die Kiesel aus der Donau

Es war hier an diesem Ufer, wo ich es verstand.

Es war ganz frisch. Windig. Bewölkt. Die anderen mochten jenes Wetter nicht. Deswegen verstanden sie das Lächeln nicht, das an meinem Gesicht hing, als wir entlang der Donau liefen.

Die Donau ist übrigens für mich richtig „Fluss“. Das Konzept von fließendem Wasser ist in meiner Welt feminin. „Und sollte auch so bleiben,“ hörte ich mich sagen, als ich lernte, es hieße im Deutschen „der Fluss“. Seitdem stimmt „er“ mich ratlos. Aber die Donau tut es nicht.

Sie ist echt schön, dachte ich im Gehen. Da stolperte ich über zwei nasse Steine. Zwei kleine Kiesel. Der eine türkis. Der andere weinrot. Beide so niedlich wie Sterne am Nachthimmel. Ich nahm sie in die Hand – sie waren wunderlich warm. Und weich. Ich wollte sie küssen. Hab’s auch getan. Und sie an meiner Wange gerieben…

Da hörte ich plötzlich Stimmen. Ich, zwar erschrocken, aber auch wie von Sinnen. Fast verführt. Die Kiesel sprachen. In welcher Sprache weiß ich immer noch nicht. Es waren doch schöne Klänge, müssten beruhigende Worte gewesen sein. Ich dachte mir, ich bräuchte nichts mehr, um für immer glücklich zu bleiben.

Und da verstand ich es. Das waren Kiesel aus der Donau. Sie trugen ihre Worte. Sie erinnerte mich an sie.

Sie ist ja schön, dachte ich. Wie sie an mir vorbeifloss. Wie sie sich mir zeigte. Wie sie leise zu mir sprach. Wie sie mich liebt. Und wie ich sie.

Seitdem sind die Kiesel bei mir. Auch heute. Ich bin wieder hier, wo ich einst war. Wo ich es verstand. Wo ich sie wieder fand.

Und hierhin gehören sie auch, die Kiesel. Das weiß ich heut‘. Und so werf‘ ich sie hin. Zu ihr zurück.

Und wenn du mal diesen Weg gehst, pass doch auf und hör doch gut zu. Heute noch kursieren im Fluss die Kiesel. Und sie sprechen.

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